Lilli & Sergej

Ein Herbst-Vormittag

Lilli & Sergej lernte ich bei unserem Verlobungsshooting am Twistesee vor ein paar Jahren kennen. 

Nach ihrer Hochzeit trafen wir uns wieder, um ein erstes Familienshooting mit ihrem Sohn festzuhalten.

Letzten Herbst durfte ich sie erneut begleiten, und wir trafen uns im Ort, an dem sie auch geheiratet haben.

Nachdem der Nebel glücklicherweise direkt aufklarte, hatten wir traumhafte Sonne, und sogar ein paar tierische Begleiter!

Raffaella

Du hast einen Knoten in deiner Brustertastet..magst du erzählen, wie es danach weiter ging?

Mitte/Ende März als ich gerade in meine neue Wohnung eingezogen bin. Meine Frauenärztin machte sofort einen Ultraschall und schickte mich noch am gleichen Tag für eine Stanzbiopsie in die Klinik. Ich habe ein paar wenige Tage gewartet, bis der Anruf kam, dass ich zur Befundbesprechung vorbei kommen sollte.

Was war dein 2. Gedanke nach der Diagnose? 

Ehrlich gesagt konnte ich für eine Weile erstmal gar nicht richtig denken. Es fiel mir schwer überhaupt noch dem Arzt zuzuhören, als er mir erklärte wie es weiter gehen würde. Es wirbeln einem in solchen Momenten viele Gedanken durch den Kopf. Einer dieser Gedanken war u.a., wie schlimm es in mir drin aussah/ob es bereits gestreut hatte.

Wie stand dein Umfeld zu deiner Entscheidung, eine Chemotherapie zu machen?

Es war nicht so, dass die Ärzte mir mehrere Möglichkeiten genannt haben, damit ich mich für eine entscheide. Aber es war die für mich beste Therapie-Empfehlung, also habe ich dem zugestimmt. Und meine Lieben stehen voll und ganz hinter mir und bauen mich auch an Tagen auf, wenn ich am liebsten das Handtuch werfen würde.

Wie beschäftigst du dich während der Chemotherapie? Und was fühlst du dabei?

Meistens bin ich gute 3 Stunden dort. Dementsprechend kann man schon einiges tun, wie z.B. sich mit anderen Patientinnen oder den Schwestern zu unterhalten, ein Buch zu lesen, etwas zu essen oder einfach mal zu dösen. Ich merke, dass es mir immer leicht an den Kreislauf geht. Ansonsten fühle ich dabei nicht wirklich viel. Ich versuche mich auch ehrlich gesagt nicht zu sehr darauf zu konzentrieren.

 

Was denkst du morgens als erstes nach dem Aufwachen?

Ich freue mich schon auf den ersten Kaffee.

Sprichst du mit deinem Körper? Oder mit einem „höheren Selbst“, bzw. bist du religiös?

Ich bin nicht religiös, auch wenn ich anders erzogen wurde. Aber ich rede mir in bestimmten Situationen gut zu und motiviere mich dadurch selbst.

Fühlst du dich von Freunden und/oder Verwandten anders behandelt aufgrund deiner Situation? Wenn ja, ist es ok für dich oder stört es dich?

Das war mit meine erste Bitte, ganz normal behandelt zu werden und das klappt auch ganz gut. Keiner muss sich verstellen und manchmal kann auch ein bisschen Galgenhumor nicht schaden. 

Was hilft dir, dich aus negativen Gedankenschleifen herauszuholen, oder lässt du sie voll und ganz zu?

Ich lasse sie zu, aber rede mit mir nahestehenden Personen darüber. So kann ich es besser verarbeiten und dann kommen auch wieder die positiven Gedanken. 

Hast du Freunde, Bekannte oder Verwandte, die das gleiche oder ähnliches durchlebt haben oder in ähnlicher Situation sind? Kannst du dich mit jemandem austauschen, der dich „wirklich“ versteht?

Leute bzw. Gleichgesinnte, mit denen ich mich austauschen kann habe ich tatsächlich über Instagram gefunden. Das ist sehr viel wert. 

Hast du auf Methoden der Achtsamkeit oder Selbstliebe zurückgegriffen, bzw. liest du bestimmte Bücher oder hörst (einen) Podcast(s)? Wenn ja, welche(n)?

Auf solche Methoden habe ich nicht zurückgegriffen, weil ich eigentlich so ziemlich im Reinen mit mir bin. Aber ich habe folgende Bücher gelesen, die mir sehr weiter geholfen haben.

  • Kintsugi – Scherben bringen Glück (Die Kunst, unsere Wunden zu heilen)
  • Der Krebs–Kompass: Wie wir mit Krebs leben lernen – Diagnose, Therapie, Heilungschancen 
  • Kopf hoch, Brust raus – was wir im Umgang mit Krebs alles richtig machen können 

Beschreibe dich, wer bist du, worin besteht dein Wesen?

Ich glaube ich bin eine Person, die gar nicht richtig weiß wie sie sich selbst beschreiben soll. Aber ich versuche es gerne.. Ich bin sehr lebensfroh und ein Stehaufmännchen. Manchmal ein bisschen verträumt, tollpatschig und ziemlich neugierig.

Ich lache gerne und laut und man hört mich wahrscheinlich noch aus der Ferne. Leise sein kann ich nicht so gut.

Natur, Musik, Familie und Freunde sind mir sehr wichtig. Ich habe oft den Drang möglichst viel vom Tag zu nutzen. Lange wach bleiben und früh aufstehen vertragen sich aber leider nicht so gut..daher bin ich oft müde. Ich liebe vieles, was mit Kreativität zu tun hat und möchte diese noch mehr in meinem Alltag ausleben. Aktuell träume ich davon nächstes Jahr einen schönen Sommer in Italien bei meiner Familie zu verbringen und am Strand zu liegen.

 

Du hast dir die Haare abrasiert bzw. abrasieren lassen, bevor du sie durch die Therapie verlierst –  ich habe unglaublich großen Respekt vor dieser Handlung! Wolltest du dich lieber sofort mit diesem neuen, ungewohnten Äußeren kennenlernen, bevor der Haarausfall evtl. einsetzen würde? 

Ich wollte mich einfach darauf vorbereiten und es möglichst erträglich machen. Und tatsächlich war es gar nicht mehr schlimm, als sie abrasiert wurden. 

Meine Schwestern haben mir sogar erst einen Vokuhila verpasst und es hat bewirkt, dass wir sehr viel dabei lachen mussten.

Glaubst du, es gibt einen Grund, der für die Entstehung des Knoten verantwortlich sein könnte? Sei es psychischer oder physischer Natur (Ernährung, äußere Einflüsse)?

Ehrlich gesagt kann ich nicht behaupten, dass ich vor der Diagnose ungesund gelebt hätte. Daher denk ich nicht, dass es einen bestimmten Grund dafür gibt.  Klar gibt es Risikofaktoren, aber diese sind nicht immer für die Entstehung von Krebs verantwortlich. Jeder, auch junge und gesunde Menschen können daran erkranken und mit meinen 28 Jahren bin ich lange nicht die jüngste. 

Hast du das Gefühl, alles, oder spezielle Abläufe in deinem Leben bewusster zu erleben? Hat sich deine Wahrnehmung verändert?

Oh ja, ich nehme einiges viel bewusster wahr…

…und habe das Gefühl, dass ich gerade die kleinen und normalen Dinge noch mehr schätze. Manchmal sieht man gerade diese für zu selbstverständlich, aber gerade das macht uns glücklich und unser Leben aus. 

Hast du seit der Diagnose Dinge (wie Gewohnheiten oder Gedanken) verändert, sei es bewusst oder unbewusst? 

Ich versuche noch mehr auf mich zu achten und mich nicht mehr wegen Kleinigkeiten verrückt zu machen. Aber bestimmte Gewohnheiten kann und muss man auch nicht ablegen.

Was kannst du einfach nicht mehr hören/lesen?

In Bezug auf meine Krankheit fällt mir da ehrlich gesagt nichts ein. Ich lasse sowas grundsätzlich nicht zu sehr an mich ran.

Hast du Momente oder Tage mit furchtbar dunklen Gedanken? Denkst du an einen „Rückfall“? 

Natürliche habe ich die und über einen Rückfall denke ich auch manchmal nach. Aber das ist völlig normal. So würde es wahrscheinlich jedem gehen.

Ich denke, dass man auch mal solche Gedanken zulassen darf, solange man sich nicht darin verliert.

 

Wie geht die Gesellschaft, Ärzte deiner Meinung nach mit Frauen um, die an Brustkrebs erkrankt sind?

Ich kann da nur über meine eigene Erfahrung sprechen. In der Klinik, in der ich behandelt werde, gehen die Leute wirklich sehr gut mit einem um und ich fühle mich in guten Händen.

Man sollte sich nirgendwo behandeln lassen, wo man sich nicht wohl fühlt, auch wenn das bedeutet die Klinik zu wechseln.

Kannst du mir 2 Dinge nennen, die für dich seit der Diagnose besser geworden sind (oder gibt es keine?)

Ja, mehr Zeit in Dinge zu investieren, die einem wichtig sind..

…und; sich selbst weniger Stress wegen Kleinigkeiten zu machen.

Möchtest du anderen betroffenen Mädels etwas mit auf den Weg geben oder raten? 

Egal wie hart die Therapie ist und wie sehr man sich manchmal wünscht das Ganze abzubrechen, es kommen immer wieder bessere Tage.

Mir hilft es jeden Tag Sport zu machen, auch wenn ich es mir vorher nicht vorstellen konnte das so oft zu tun.

Aber man merkt tatsächlich wie die Energie langsam zurückkommt. Und man muss sich immer wieder vor Augen führen welchen Zweck diese Therapie hat. Nämlich alle bösartigen Zellen, die da irgendwo sein könnten auszuhungern. 

 

ein jahr später erzählte Raffaella , wie die weitere therapie verlaufen war:

Die Strahlentherapie war im Vergleich zur Chemo eigentlich kein großes Thema. Ich hatte insgesamt 25 Sitzungen und wurde jeden Tag, außer Sa und So bestrahlt. Meine Haut hat sich danach relativ schnell wieder regeneriert.

Die Antihormontherapie muss ich mindestens 5 Jahre lang machen..

..in manchen Fällen kann sie auch auf 10 Jahre verlängert werden. Ich bin also quasi in den künstlichen Wechseljahren und habe entsprechende Nebenwirkungen, wie starke Hitzewallungen. Aber ich denke mir immer: so weiß ich, dass es wirkt und solange es nur sowas ist, kann ich damit leben. 

Raffa, ich DANKE dir von Herzen für dein Vertrauen!

Dein vertrauen in mich, in die Idee des Projekts, und vor allem in dich selbst.

Danke, dass du uns diesen Einblick in deinen Lebensabschnitt gewährt hast!